Gold-Kraemer-Stiftung - Malerei.Fotografie.Objekte

10. bis 24. Oktober 2021

 

Malerei.Fotografie.Objekte

 

Ausstellung in der Gold-Kraemer-Stiftung Kirche Alt St. Ulrich
Ulrichstraße 110, 50226 Frechen

 

 

Pressestimmen / Eröffnung

Unerschöpflicher Ideenreichtum
Die Künsterlin Roswitha Ritterbacht stellt bei der Gold-Kraemer-Stiftung aus.

Hanna Styrie, KStA, 15. Oktober 2021
 

Eröffnung

Jenny Graf-Bicher

Frechen, 10. Oktober 2021

 

Am Anfang dieser Ausstellung stand ein großer Plan: das in vielen Jahrzehnten geschaffene und stetig wachsende Werk der Künstlerin möglichst vollständig zu zeigen, also eine Retrospektive zu präsentieren.
Dass der Plan in diesen Räumen nicht zu realisieren ist, überschattete die Arbeit noch bis wenige Tage vor der Eröffnung. Es war zwar schon seit längerem absehbar, aber um jedes Bild, das hergebracht worden war und nicht gehängt werden konnte, wurde getrauert.
Und doch – Sie haben sich vielleicht schon davon überzeugt – ist es wunderbar gelungen, mit der getroffenen Auswahl die Fülle und die Vielfalt des Werks von Roswitha Ritterbach heute erlebbar zu machen.
Die Fülle, das Wort scheint mir etwas Wesentliches über Roswitha Ritterbach Schaffen
auszudrücken: da ist die Fülle der Arbeiten, die aus einer erstaunlichen, nicht versiegenden Quelle immer neu entstehen, da ist zudem die Fülle an Formen, Techniken, Materialien, Erfindungen, vor allem aber die Fülle an Eindrücken, Anregungen, Gedanken und Empfindungen, die in diesen Arbeiten enthalten sind und die zu uns sprechen.
Ich möchte ein wenig der Frage nachgehen, wie diese Sprache aus Farben und Formen für uns vernehmbar ist. Um am Schluss auch eine Antwort zu versuchen auf die Frage, aus welchen Impulsen heraus diese Sprache entsteht.
Es ist offensichtlich, dass die Malerei von RR die Welt nicht akademisch abbildet (zu den
Objekten und zur Fotografie kommt später noch ein Wort). Jedes BlaH, jede Leinwand
konfrontiert uns mit einer Komposition von prinzipieller Offenheit. Keine Gestalt, kein
Gegenstand, keine Szenerie ist eindeutig konturiert, jeder Komposition haftet etwas
Schwebendes an, sie ist räumlich nicht klar verortet. Greifar und erkennbar dagegen ist oft die Geste, aus der heraus die Elemente auf der Fläche entstanden sind. So ist die
Arbeitsweise der Künstlerin meistens nachvollziehbar. Mit flüssig aufgetragener Acrylfarbe erscheinen weiche Formen, die großflächige Bereiche farbig grundieren und gliedern; darüber bewegen sich mit o[ breitem Pinsel vielfältige Spuren. Tropflinien dürfen frei fließen, raue Spuren ergeben sich, wenn der Pinsel trockener wird. Verschiedene Pinsel und Stifte kommen zum Einsatz, manchmal auch die Finger. So entstehen Bilder von strahlender, freudiger Farbigkeit, oder, vor allem wenn mit Tusche gearbeitet wird, Bilder von geheimnisvoller, manchmal auch beunruhigender Dunkelheit.
Bei näherem Betrachten ist zu entdecken, wie fantasievoll RR ihr Malmaterial auswählt und wie unkonventionell sie es behandelt. Als Malgrund wird nicht nur das dafür vorgesehene Papier oder die Leinwand benutzt, da tauchen Seidenpapiere aus dem edlen Schuhkarton auf, oder ZwischenbläHer eines Fotoalbums mit den typischen spinnennetzartigen Mustern, hier ziehen sich Linien von Ölkreiden über lavierte Tusche, hier ist Sand in die Acrylfarbe gemischt, hier wurde der Schminkkasten der geliebten Tochter vermalt, hier wurde Lack aufgetragen und mit spitzem Gerät aufgekratzt,. Oder nasse Tusche wurde mit einem aufgedrückten Tuch wieder aufgesogen und so mit einer Struktur versehen, da wurde gefaltet, geknittert, geschnitten, gestapelt, da wurden Papiere in kleine Schnipsel gerissen und zu einer neuen Bildgestalt zusammengefügt. - Das spielerische, fantasievolle Arbeiten, das alle Arten von Zufällen zulässt, schließt immer wieder auch die Collage ein, oft mit eigenen Fotografien, oft mit verschiedenen „armen“ Materialien. Nach diesem Prinzip entstehen auch die Objekte, von denen Sie im Untergeschoss einige kennenlernen.
Wohin führt nun die unermüdliche kreative Arbeit, die oft auf spontaner Intuition beruht und den Zufall einbezieht, immer wieder aber auch mit Beharrlichkeit und Geduld zu Werke geht?
So sehr die Arbeit von RR in der Traditon der avantgardistischen Freiheiten steht, die die
bildende Kunst im Laufe des 20. Jahrhunderts errungen hat, so sehr der Einfluss etwa der informellen Malerei der Nachkriegszeit bei ihr nachzuweisen wäre, so deutlich sind doch zusätzliche Sinnschichten. Dem „Vokabular“ (wir haben das Material, die Techniken erwähnt) wohnen Bedeutungen inne. Dieser Zusammenklang macht die „Sprache“ aus, von der eben die Rede war, die Sprache, die uns erreicht, wenn wir unsere Sinne dafür öffnen.
Umberto Eco sah im offenen Werk, in der „opera aperta“, den Grundzug der modernen
Kunst. Das Werk gibt seine Bedeutung nicht starr vor, sondern stellt ein Angebot bereit,
einen Rahmen, der je nach Betrachter unterschiedlich gefüllt wird.
Sie werden das hier und anderswo schon oft erlebt und erprobt haben. Die scheinbar
ungegenständlichen Werke, als solche können wir RR.s Arbeiten zunächst ansehen, bergen eine große Fülle von Bedeutungen, Bezügen, Anknüpfungsmöglichkeiten. Wir können in den bildnerischen offenen Formen Wesen und Räume erkennen, menschliche Gestalten, Szenen und Landschaften und wir nehmen Stimmungen auf. Während unserer Betrachtung vollenden wir das Werk, wir führen in gewisser Weise den Schaffensprozess weiter und verknüpfen die Formen und Farben mit unseren Fantasien, Gedanken und Gefühlen. Wir vernehmen die Sprache des Werks und treten ein in ein Zwiegespräch.
Interessanterweise übernimmt RR selbst als erste Betrachterin ihrer Werke oft ebenfalls die Rolle einer Interpretin. Sie nimmt die Perspek:ve „von außen“ an, lässt sich überraschen vom eigenen Werk und füllt den „offenen Rahmen“ mit einem assoziativen Titel, den sie dem Werk dann beigibt. Wenn wir als Bild:tel z. B. lesen „Kraftfeld“, dann ist klar, dass die Künstlerin sich nicht vorgenommen hat, ein Kraftfeld darzustellen, sondern dass der Titel ebenfalls ein Angebot ist, nämlich das Werk unter diesem Aspekt auf uns wirken zu lassen.
Dadurch wird unsere Auseinandersetzung mit dem Werk zu einer ästhe:sch noch reicheren Kommunikation.
Beim Überblick über die Ausstellung und beim Gang entlang der Werke erkennen wir
bestimmte wiederkehrende Formen, die wir als Symbole wahrnehmen. Es wird deutlich, dass es bei aller Vielfalt im Werk von RR thematische Schwerpunkte gibt.
Ein Thema ist das Paar, das uns in vielen Varia:onen begegnet. Menschliche Figuren, oft aus einem heftigem Pinselschwung entstanden und mehr erahnt als erkannt, wenden sich einander zu, nähern sich an, halten inne, fügen sich zu einem Tor. Manche Bilderfolgen sind selbst paarweise geordnet, spiegeln und ergänzen sich (schöne Beispiele vor allem im zweiten Raum). Unerschöpflich scheinen bei diesem Thema die mitschwingenden Stimmungen von Sehnsucht, Erfüllung, Verlust und Trauer zu sein.
In etlichen Werken erscheint über die Jahrzehnte hinweg immer wieder die Kreuzform. Ein
gerade erschienener Katalog fasst 100 dieser Arbeiten anschaulich zusammen. Und auch in diesen Räumen taucht das Kreuz vielfach auf, oft eher verborgen als offensichtlich. Dabei zeigt sich, dass diese Kreuze – gemalt, collagiert, aus verschiedenen Materialien
zusammengetragen und fotografiert, nur zum Teil absichtlich gestaltet sind. Viele sind
gefunden, haben sich zum Erstaunen der Künstlerin einfach „gezeigt“. Von Picasso ist das Wort überliefert „ich suche nicht, ich finde“. Das ist sicherlich auch ein wesentliches
Moment in RR.s Schaffen. Die Kreuze sind in ihrer unerwarteten, offenen Gestalt nicht nur als christliche Symbole zu lesen, sondern als Zeichen der beiden fundamentalen Achsen, die unsere Existenz bestimmen.
Auch der Kreis findet sich als Form und wird zu einem Symbol von erstaunlicher
Bedeutungsvielfalt. Im Untergeschoss finden Sie das Rundbild mit dem auffordernden Titel „Turn around“, das zum endlosen Spiel mit dem immergleichen Geheimnis des Wechsels der Wahrnehmung verleitet. Gleich daneben, im gelbgrundigen Bild „Begegnung“, ist ein Paar von einem schützenden Kreis aus Zweigen und BläHern umschlossen, ein kleines Paradies. Im schon erwähnten Bild „Kraftfeld“ wird durch den Druck der heftigen kreisförmigen Pinselführung das hinter der Leinwand liegende Kreuz des Keilrahmens sichtbar. Vielleicht erzählen die Kreis- und Spiralwirbel von Aufruhr und Vergeblichkeit, gerade im Kontrast zur unerschütterlichen Ruhe des Kreuzes im Hintergrund. In den Vitrinen im Untergeschoss fasziniert ein dunkler Kreis auf goldenem Grund mit seiner Anmutung von ewiger Entrückung. Auf der Etage darüber erstrahlt fast kindlich der Kopf einer Sonnenblume
zusammengesetzt aus Knöpfen und gefundenen Samenschoten. Dagegen zeigen die
Fotografien im ersten Raum wieder einen anderen Aspekt. Sie dokumentieren
Kreisinstallationen von bezaubernder Schönheit. Sie sind mit den eigenen Füßen und Händen in Schnee und Sand eingeprägt. Und zu ihrem Zauber gehört wesentlich auch ihre Vergänglichkeit. Wir wissen, die Sonne und das Meer haben die schönen Formen längst zerfließen lassen.
Die Ausstellung ist nicht chronologisch angeordnet. Aber es sind frühe Arbeiten zu sehen aus den 70er bis 90er Jahren, in denen Lebenserfahrungen und auch Schicksalsschläge anklingen, die zu der Sicht auf die Welt geführt haben, aus der sich die spezifische künstlerische Sprache in den folgenden Jahrzehnten geformt hat.
Mir scheinen zwei gegensätzliche und doch eng verbundene Impulse für die vielfältigen
Facetten des Schaffens von RR eine Rolle zu spielen. Sie zeigen sich im Umgang mit dem
unterschwelligen Thema der Vergänglichkeit, einem Lebensthema, das uns alle und auch die Künstlerin beschäftigt.
Zum einen gibt es immer wieder die flüchtigen Momente, die künstlerisch festgehalten, in
eine kleine Ewigkeit überführt werden.
In der Malerei besonders schön auf der großen Leinwand mit dem zarten Farbenspiel im
Foyer. Es trägt den Titel „Ein Traum zwischen Himmel und Erde“, In der Fotografie z. B. im Blick auf die eigenen Schuhspitzen, die sich gleich wieder bewegen werden, aber zu einer feinen Bilderserie geführt haben (im ersten Raum).
In den Objekten, die fast immer inspiriert sind von gefundenen, gebrauchten, fast schon
verlorenen Dingen, die mit neuem Sinn beladen und sozusagen vor dem Untergang gerettet werden und Dauer erhalten.
Neben dem Impuls des Festhaltens und Bewahrens gibt es bei RR auf der anderen Seite die künstlerische Geste, die im ernsten Spiel die Vergänglichkeit mit inszeniert. Ich denke vor allem an die Kreisinstallationen aus Sand und Schnee. Die geschaffene Schönheit leuchtet umso heller auf, je klarer das Vergehen einbezogen und so schließlich angenommen wird.
Lassen Sie sich anregen von der Fülle der Bilder und Objekte in diesen Räumen und von der Fülle des Lebens, von der Roswitha RiHerbach darin erzählt.
 

 

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